5 Tipps für bessere Microcopy


Immer mehr Unternehmen erkennen den Wert, mit kleinen Texthilfen einen Prozess auf einer Interface zu erleichtern und für absolute Klarheit für die User zu sorgen. Wer viel im Web und in Apps unterwegs ist, ist auch ständig mit Microcopy konfrontiert – manche sehr hilfreich, manche weniger. Hier sind einige Beispiele mit dazu passenden Tipps, wie man es meiner Erfahrung nach besser machen könnte.

Artikel von

 

Carina Glinik

Senior UX Writer
4 Minuten Lesezeit01. Feb. 2024

Tipp 1: Vermeiden Sie überflüssige Erklärungen

Manche Erklärungen sind gut gemeint, braucht aber kein Mensch. Zum Beispiel, dass wenn ich mein Passwort ändere, oha, mein altes nicht mehr gültig ist.

Screenshot Microcopy: Passwort ändern Prozess

“Wenn Sie das Passwort für Ihr Konto vergessen haben, können Sie hier ein neues auswählen. Sobald Sie das neue Passwort gespeichert haben, wird Ihr altes Passwort ungültig.”

Für diesen No-Brainer gibt mir diese Benutzeroberfläche einen Text mit 171 Zeichen zu lesen. Das ist länger als jedes Suchergebnis-Snippet auf Google.

Wenn es schon “idiotensicher” sein muss, hätte man ja immerhin kürzen können auf “Ihr altes Passwort ist dann nicht mehr gültig.” Naja, immerhin geht es bei Passwörter um Sicherheit, daher kann ich den Ehrgeiz immerhin nachvollziehen.

Nicht viel kürzer, dafür umso überflüssiger ist dieses Beispiel von einer Gewinnspiel-Teilnahme mit 166 Zeichen:

Screenshot Microcopy: Geburtsdatum auswählen

“Um Ihr Geburtsdatum auszuwählen, klicken Sie im Kalenderfenster bitte auf das Jahr. Ein Dropdown-Menü öffnet sich daraufhin und erleichtert so die Eingabe des Datums.”

Einmal abgesehen davon, dass das genaue Alter für die Teilnahme an einem Gewinnspiel nicht relevant ist (aus Sicht der User Experience, nicht der Daten-sammelnden Marketing-Abteilung versteht sich), ist diese Erklärung zur Gänze unnötig. Was bitte sollte ich denn sonst mit dem Kalenderfenster tun, wenn nicht ein Datum auswählen?

Weitere Kritikpunkte:

  • Warum muss ich überhaupt erst in das Fenster klicken, bevor sich der Kalender öffnet? Denn könnte man doch auch gleich anzeigen. #Usability

  • Erleichtert die Eingabe? Ich sollte also 33 mal auf den Zurück-Pfeil klicken, um zu meinem Geburtsjahr zu gelangen. Dann bitte doch lieber manuell. #InteractionDesign 

  • Seien Sie sparsam mit dem Wort “bitte”. Gerade bei Formularen, wo man üblicherweise viele Felder (Vorname, Nachname, Adresse usw.) ausfüllen muss, kommen dann sehr viele "bitte" heraus. All diese Daten sind vollkommen üblich und man muss nicht bei jedem Eingabefeld darum bitten. Besser das “bitte” für eine spezielle Aktion (z. B. den Bestätigungs-Button ganz am Schluss) aufheben, dann hat es dort auch eine stärkere Bedeutung.

Mein Verbesserungsvorschlag: Streichen Sie No-Brainer gänzlich heraus. Auch wenn es gut gemeint ist, sind Ihre User nicht hier in Ihrem Formular, um zu viel Text zu lesen, sondern wollen einfach schnell weiterkommen. Was für Ihre Zielgruppe klar sein sollte und was nicht, können Sie von Personas oder Usability-Testing ableiten.

Tipp 2: Seien Sie konkret

Pop-up-Fenster – wir alle lieben sie. #not

Noch schlimmer als ein Pop-up ist ein Pop-up, das keine konkreten Informationen liefert. Diese Mircocopy besteht aus 228 Zeichen und sagt im Prinzip nicht mehr aus als “Neue Version verfügbar”.

Screenshot Microcopy: Pop-up Benachrichtigung

“Unser engagiertes (und ausgesprochen gutaussehendes) Team hat hart daran gearbeitet, eine neue Version von XY freizugeben. Sehen Sie sich einfach die interessanten, neuen Funktionen und Fehlerkorrekturen dieser Version an.”

29 Wörter, davon 7 Adjektive – obwohl auch mit 3 Wörtern klar gewesen wäre, dass eine neue Version verfügbar ist.

Dass das Team “ausgesprochen gut aussehend” ist, ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint und soll Humor vermitteln. Humor eignet sich fantastisch dafür, eine emotionale Bindung zu Usern aufzubauen und ist an und für sich eine gute Idee. Seien Sie aber auch vorsichtig mit Humor. Kommt der Witz bei Ihrer Zielgruppe nicht an (z. B. bei einer anderen Generation) oder findet sie ihn schlicht nicht lustig, wird er eher als störend empfunden. Gerade bei aufpoppenden Fenstern wäre ich besonders vorsichtig.

Das Adjektiv, das mich hier aber am meisten stört, ist “interessant”. Meine Empfehlung: Sagen Sie doch einfach konkret, was die Neuigkeiten sind und lassen Sie Ihre User selbst zur Schlussfolgerung kommen, dass diese interessant sind.

Tipp 3: Respektieren Sie Ablehnungen

Ständig wird man im Internet mit Aufforderungen bombardiert.

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Manches davon probiert man einmal aus, das meiste allerdings nicht. Haben Sie also Verständnis dafür, wenn Ihre User vielleicht auch Ihr Angebot ablehnen.

Zu einer guten User Experience gehört eben dazu, den Usern zu ermöglichen, XY nicht haben zu wollen. Wenn Sie dies den Usern erschweren oder – noch schlimmer – sie dafür beschämen, wird dies lediglich dazu führen, dass sie sich mit einem negativen Gefühl von Ihnen abwenden.

Screenshot Microcopy: Confirmshaming

“Nein, ich will NICHT lernen, wie ich meine Markenbotschaft schärfen kann”

Ein klassischer Fall für “Confirmshaming” (englisch für: bestätigen + schämen). Es gibt zwar die Möglichkeit der Ablehung, diese lässt einen aber ganz schön blöd dastehen.

Die Conversion Rate wird sich dadurch nicht verbessern. Lassen Sie es einfach sein.

So geht’s besser: Seien Sie konkret! Welchen Mehrwert bietet das Angebot? Warum ist dieser Newsletter meine Zeit wert? Nennen Sie gute Gründe, den Bestätigungs-Button anzuklicken und ermöglichen Sie Ihren Usern eine Entscheidung ohne Schuldgefühle.

Tipp 4: Seien Sie darauf vorbereitet, dass etwas schiefgeht

In der Praxis wird auf nichts so oft vergessen wie die Vorbereitung auf einen möglichen Fail. Dabei passiert es bei digitalen Anwendungen so leicht, dass einmal etwas nicht so klappt, wie es sollte.

Mit einem Online-Tool wollte ich schnell ein Bild verkleinern. Es hat nicht geklappt und die Erfolgsmeldung war: “Deine Bilder sind jetzt 0% kleiner!” Und das sogar mit Rufzeichen. Danke für nichts!

Screenshot Microcopy: Failed success message

Ein kleiner Versuch, den Fail wenigstens einzugestehen, wäre schon eine Verbesserung.

Im Idealfall überlegen Sie sich bei jeder Aktion, was womöglich schiefgehen könnte. Besonderes Augenmerk gilt jenen Fehlern, die von Usern selbst verursacht wurden. Das Bild hat das falsche Format oder in der E-Mail-Adresse ist ein Tippfehler? Lassen Sie Ihre User wissen, wo das Problem liegt und geben Sie eine Anleitung, wie sie das Problem beheben können.

Das gleiche gilt für mögliche Fehler, die auf Ihrer Website passieren könnten. Das könnte etwa ein falscher Redirect sein, der einen 404-Fehler verursacht. Erklären Sie Ihren Usern, wie es womöglich zu dem Fehler gekommen ist und zeigen Sie Alternativen auf. Da geht doch sicher noch mehr als nur “404”.

404 Error Seite

Ein paar Beispiele für hilfreiche Elemente auf einer 404-Seite:

  • Ein Suchfeld, mit dem User vielleicht doch noch finden, was sie hier erhofft hatten

  • Beliebte Themen oder Beiträge dieser Seite

  • Kontaktmöglichkeiten für direkte Hilfe

Tipp 5: Seien Sie inklusiv

Inklusives Schreiben ist ein ganz grosses Thema in UX. Miteinbeziehen muss man zum einen Menschen, die eingeschränkt sind, etwa wegen einer Behinderung. Darauf sind wir auch schon letztes Jahr in unseren UX Trends (Trend Nr. 4) eingegangen. Zum anderen fällt hier aber auch hinein, Frauen und insbesondere Menschen, die nicht-binär sind, miteinzubeziehen.

Das Mindeste(!), was Sie in Sachen Inklusivität tun sollten, ist, in Formularen vertretbare Anredeformen zu verwenden. Das wäre zum Beispiel Herr, Frau und als 3. Option eine neutrale Anrede. Im Idealfall lassen Sie die Anrede ganz weg, wenn diese für Ihren Zweck nicht unbedingt nötig ist.

Geben Sie auf keinen Fall Ihren Usern das “Fräulein” zur Auswahl. Diese Anrede für unverheiratete Frauen wurde in den 70er-Jahren(!) abgeschafft. Eigentlich unglaublich, dass ich das im Jahr 2023 erwähne, aber das ist mir tatsächlich vor kurzem erst untergekommen.

Screenshot Microcopy: Anrede Fräulein

Fazit: Es gibt viel zu beachten

Das waren jetzt einmal 5 Tipps mit Beispielen, die mir in letzter Zeit aufgefallen sind und bei denen ich daran gedacht habe, einen Screenshot zu machen. Aber es gibt natürlich noch sehr viel mehr bei Microcopy und UX Writing generell zu beachten.

Zusammenfassend kann man wohl sagen: Denken Sie mit.

Diese Fragen werden Ihnen bei Ihrer Microcopy helfen:

  1. Braucht es wirklich jeden Satz oder geht es auch kürzer?

  2. Was sind die Fakten hinter den schönen Adjektiven?

  3. Wie kommen die User mit positiven Gefühlen wieder heraus?

  4. Was passiert, wenn es nicht klappt?

  5. Können alle folgen und fühlen sich alle angesprochen?


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