Mindnow

UX Design

September 6

UX Writing – was ist das eigentlich?

Die Worte auf der Benutzeroberfläche – die meisten User achten gar nicht darauf. Sie nutzen Apps und Websites ganz intuitiv. So soll es auch sein, denn es hat bereits jemand anders darauf geachtet, dass User ein smoothes Erlebnis haben und schnell zum Ziel kommen. Dieser Jemand trägt meistens die Berufsbezeichnung «UX Writer» und was genau es da alles zu beachten gibt, erfahren Sie in diesem Blog-Artikel.

Screenshot von LoFi Wireframes
Beispiel: LoFi-Wireframes in Whimsical. Das war ein sehr früher Entwurf für Cornèrcard.

Im engeren Sinn ist UX Writing der Prozess des Schreibens von sogenannter «UX Copy»: Buttons, Eingabefelder, Schrit-für-Schritt-Anleitungen, Fehlermeldungen, Benachrichtigungen, Warnungen, Formulare und noch vieles mehr. Was sich halt alles so auf der Benutzeroberfläche von Apps oder Websites an geschriebenen Worten befindet.

«Schreibst du noch schnell die UX Copy.» Sätze wie diese bekommen wir UX Writer oft zu hören. Doch schnell noch die Worte für die Buttons, Eingabefelder und Anleitungen hinzufügen ist nicht das, was UX Writing ausmacht. Um Felder ohne Grammatik- und Rechtschreibfehler zu beschriften braucht man keinen UX-Spezialisten. Vielmehr geht es bei UX Writing um Kommunikation, die den Usern beim Benutzen der Anwendung Orientierung gibt und nebenbei die Markenpersönlichkeit transportiert.

Im weiteren Sinn kommen daher zum eigentlichen Schreiben noch ein paar weitere Aufgaben für den UX Writer dazu.

Die vielen Aufgaben im UX Writing – eine Einführung

Um Familie, Freunden, Kunden oder neuen Kollegen zu erklären, was ein UX Writer denn so macht, mache ich es mir oft einfach. Ich zeige meine Arbeit auf meinem (glücklicherweise ziemlich grossen) Bildschirm her. Ein Blick auf die vielen Mobile Screens und ein paar Erklärungen dazu, wie sie zusammenhängen und es wird klar: Es geht um User-Flows.

Klickt der User zum Beispiel auf einem Screen auf «Passwort vergessen», geht der Flow zum Screen «Passwort-Reset» weiter. Jeder mögliche Klick führt zu einem neuen Screen und die Worte, die da stehen (etwa «Gib dein neues Passwort ein»), die hat der UX Writer (das bin ich!) da hingeschrieben.

Ein Laptop, ein grosser Bildschirm, Tastatur und Maus auf einem Schreibtisch
Mein Arbeitsplatz – grosser Bildschirm und eine ordentliche Tastatur gehören zur Grundausstattung eines UX Writers.

Manche Flows sind natürlich komplexer als jener des Passwort-Vergessens, etwa Onboardings oder Bezahl-Checkouts. Ausserdem macht das Tippen von Worten in einem Wireframe noch lange keinen UX Writer. Denn bis es überhaupt dazu kommt, ist im Hintergrund schon viel passiert.

Es beginnt mit UX Research

Lange bevor überhaupt das erste Wort geschrieben wird, wurde schon sehr viel recherchiert. Damit die Texte, die auf die Screens kommen, optimal auf die Bedürfnisse der User zugeschnitten sind, muss man diese Bedürfnisse zuerst einmal herausfinden und verstehen. Und zwar so genau, dass es im UX Design eine eigene Disziplin dafür gibt: UX Research.

Ich als UX Writer bei mindnow habe das Vergnügen, dass wir dafür eigene UX Researcher im Team haben. Das ist super, denn die UX Researcher können sich voll und ganz darauf konzentrieren, wie die User ticken, was sie brauchen und was sie frustriert. User-Interviews und User-Tests sind am Anfang der Entwicklung eines digitalen Produkts extrem wichtig und müssen auch laufend weitergeführt werden.

Klingt nach viel Arbeit? Ist es auch! Dennoch wird diese wichtige wie umfangreiche Aufgabe in der Praxis oft vom UX Writer oder UX Designer miterledigt. Je kleiner das Team, desto mehr Aufgaben muss eine einzige Person übernehmen. Bei uns als Agentur ist das zum Glück nicht so und UX Writer, UX Researcher und UX Designer sind verschiedene Personen mit entsprechendem Know-how.

Screenshot einer Folie zu UXR Process
Ganz schön viel Arbeit! Den Prozess auf dieser Folie hatten wir einst gepitcht – und den Auftrag bekommen.

Wo auch immer die Informationen über die User herkommen – ob von der Kollegin, vom Kunden oder selbst recherchiert – die Ergebnisse der UX Research sind der Grundstein für gute UX Copy.

Der Voice-and-Tone-Workshop

Spätestens wenn durch UX Research die Personas feststehen, ist es an der Zeit, sich mit der eigenen Markenpersönlichkeit auseinanderzusetzen.

UX Writer schreiben immer für zwei Zielgruppen mit zwei unterschiedlichen Zielen. Das liegt in der Natur von digitalen Produkten, bei denen meist zwei Parteien miteinander kommunizieren – die User und die Organisation, die hinter dem Produkt steckt. Diese beiden gilt es zu verbinden. Daher teile ich die Voice-and-Tone-Workshops, die ich für unsere Kunden durchführe, immer in 3 Teile:

  1. Die User – im Idealfall lediglich ein Ins-Gedächtnis-Bringen der vorhandenen User Research
  2. Die Organisation – praktische Übungen zur Markenpersönlichkeit
  3. Die Kommunikation – Klarstellung wie diese beiden Parteien miteinander kommunizieren inkl. Tonalität in verschiedenen Situationen

Am Ende des Workshops packe ich die wichtigsten Punkte in ein Handout, an dem sich das ganze Team inklusive UX Designer orientieren kann.

Pro-Tip: Das schönste Handout bringt nichts, wenn es nie mehr jemand anschaut. Stellen Sie also sicher, dass es gut auffindbar ist und nicht irgendwo in einem Unterordner verschwindet.

Folie von einem Voice and Tone Workshop als Beispiel
Beispiel: Eine Folie von einer Übung in einem Voice-and-Tone Workshop mit einem Kunden.

UX Wireframes – LoFi, HiFi & Teamarbeit

Mit den UX Wireframes sind wir jetzt an dem Punkt, der dann doch unumstritten und auch im engsten Sinn zum UX Writing gehört: die Buttons, die Eingabefelder, die Schritt-für-Schritt-Anleitungen und so weiter. All diese Textelemente hat der UX Designer bereits beim Durchdenken und Draften des User Flows angeordnet und Platzhalter-Copy eingefügt. Die Platzhalter sind manchmal sehr hilfreich (wie z.B. «Hier steht die Erklärung, warum der User seinen Ausweis fotografieren muss»), manchmal weniger («Lorem Ipsum»). Ist nicht klar, welchen Zweck die Platzhalter erfüllen sollen, halte ich Rücksprache mit dem Product Owner. Teamfähigkeit – auch ein wichtiger Skill als UX Writer.

Je nachdem, wie früh oder spät ich als UX Writer ins Projekt einbezogen werde, ersetze ich die Platzhalter durch «richtige» UX Copy entweder in den Low-Fidelity Wireframes (z. B. mit Whimsical) oder in den High-Fidelity Wireframes (z. B. mit Figma). Am besten ist beides – schon früh in den Low-Fidelity Wireframes mit UX Copy arbeiten und im High-Fidelity Design nochmals anpassen.

Je früher sich jemand Gedanken übers Wording macht und den Aufbau oder die (womöglich fehlende) Existenz von Textfeldern in Frage stellt, desto besser. Bei LoFi-Wireframes sind Änderungen wesentlich leichter umzusetzen und der UX Writer kann sich mehr einbringen – ein Benefit, auf den in der Praxis leider oft verzichtet wird. Während dies bei einfachen Websites kein Problem darstellt, wird es umso kritischer, je komplexer die digitale Anwendung ist.

Screenshot von HiFi Wireframes
Beispiel: High-Fidelity Wireframes in Figma.

In meinen fast 3 Jahren als UX Writer bei mindnow habe ich bereits an einer breiten Palette an UX-Projekten mitgewirkt. Von frühen Drafts in Whimsical bis zu «Schreibst du noch schnell die UX Copy» am Projektende war alles dabei. Klar, Arbeitsstunden kosten etwas und wenn der UX Writer von Anfang an mit dabei ist, werden es mehr. Die User Experience wird aber eine bessere sein und ich bin davon überzeugt, dass sich dieses Investment bezahlt macht.

Editing ist mehr als Fehler korrigieren

Okay, angenommen, ein Projekt muss auf der dünnsten Sparflamme überhaupt über die Bühne gehen. Keine UX Research, keine Voice-and-Tone Guidelines und UX Writing erst im UI Design. Diese App wird wohl keinen Download-Rekord brechen, aber sie ist vielleicht benutzbar. Wenn es wirklich nur das absolut denkbare Minimum sein darf, dann holen Sie sich doch zumindest fürs Editing einen UX Writer ins Boot.

Editing ist die Iteration der UX Copy, in der man sicherstellt, dass sie die Ziele erreicht. Klar, Rechtschreib- und Grammatikfehler checken sollte man auch. Aber das geschieht nebenbei. Editing im Sinne von UX Writing bedeutet beim Ersetzen der Platzhalter folgendes sicherzustellen:

  • Klarheit: Die UX Copy ist für die User klar und verständlich. Sie wissen stets, was sie zu tun haben, um ans Ziel zu kommen.
  • Prägnanz: Die User sind nicht hier, um zu lesen. Die ideale Länge: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
  • Dialog: Im «Gespräch» zwischen dem User und der Anwendung kommt die Markenpersönlichkeit heraus.

Der letzte Punkt lässt sich natürlich nur überprüfen, sofern eine Markenpersönlichkeit überhaupt erst definiert wurde, z. B. im Voice-and-Tone Workshop.

Auf jeden Fall sollte das Editing in den UX Wireframes und nicht in separaten Tools gemacht werden. Nur so kann man ein Gespür für Anordnung, Prominenz sowie angemessene Textlängen entwickeln. UX Writing ist nun mal Teil des UX Designs und sollte damit einhergehen.

Eine Person mit einem Laptop

Hurra! Jetzt ist die UX Copy fertig und ich geh’ nach Hause! 🤩

Hahaha, natürlich nicht. 🤣 Für gewöhnlich geht das ganze als nächstes in die Übersetzung. Vor allem in der Schweiz ist das bei fast jeder Anwendung der Fall, zumal hier gleich 3 Amtssprachen + Englisch üblich sind. Ausserdem gibt es dann noch die Erfolgsmessung.

UX Writern geht die Arbeit nicht aus

Zwar arbeite ich ohnehin remote von zu Hause, aber auch sonst gäbe es selbst nach der Erfolgsmessung noch immer kein Heimgehen. Jetzt beginnen die Verbesserungen für das digitale Produkt. Marktbedingungen können sich schnell ändern und man muss digitale Produkte ständig anpassen. Hier sind wir wieder bei der UX Research, auf deren Grundlage UX Copy geschrieben sowie laufend angepasst werden sollte.

Die gute Nachricht für uns UX Writer ist: Immer mehr Organisationen erkennen den Wert guter UX Copy und welchen Unterschied es macht, wenn sie strategisch eingesetzt wird. UX Writer bringen Wissen und Best Practices mit ein, die einem Produkt das Sahnehäubchen verleihen können und das spricht sich schön langsam auch herum. 

UX Writing und die Schweiz

Auch in der Schweiz spricht sich UX Writing immer mehr herum. Das merken wir bei Gesprächen mit Kunden. Oft habe ich das Gefühl, als wüsste jeder schon alles ganz genau. Aber wie so oft im Leben darf man die eigene Bubble nicht als repräsentativ für die grosse Allgemeinheit hinnehmen.

Ein Blick auf Google Trends (ein Tool, das ich sehr viel verwende) lässt vermuten, dass man in der Schweiz noch eher als Early Adopter durchgeht, wenn man sich mit UX Writing auskennt – was für eine Chance!

Screenshot von Google Trends
Daten für den Suchbegriff «ux writer» hat Google leider keine – zu wenige Suchanfragen in der Schweiz.

Im Gegensatz zu Deutschland wird in der Schweiz anscheinend noch nicht allzu viel über UX Writing gegoogelt. Österreich detto. Viele tolle Blog-Artikel über UX Writing gibt es aber trotzdem. Im deutschsprachigen Raum habe ich wahrscheinlich die meisten davon gelesen.

Wer also noch mehr über UX Writing lesen möchte, dem kann ich zum Beispiel folgende Artikel empfehlen:

Natürlich dürfen Sie sich auch gerne direkt bei mir melden, falls Sie noch eine Frage zu UX Writing haben. Ich freue mich über Ihre Nachricht!

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